
Forschungsverbund "Anwendung von Reinigungswänden für die Sanierung von Altlasten"
Nach dreijähriger Vorbereitungszeit hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Mai 2000 den
Startschuss zum Forschungsverbund "Anwendung von Reinigungswänden für die Sanierung von Altlasten", abgekürzt
"RUBIN" genannt (= Reaktionswände und -barrieren im Netzwerkverbund), in Deutschland gegeben.
Der FuE-Verbund ist mit einem Etat von ca. 4 Millionen Euro ausgestattet und hat eine Laufzeit von drei Jahren.
Er umfasst zur Zeit 11 Projekte, die mit einer Vielfalt unterschiedlichster Problemstellungen, Standortbedingungen,
Technologieaspekten sowie Entwicklungs- und Implementierungsniveaus aufwarten. Darunter befinden sich zwei
Vorhaben mit standort- sowie problemübergreifenden Aufgabenstellungen und -schwerpunkten: Das Projekt der
Universität Tübingen (Prof. Dr. G. Teutsch) beschäftigt sich mit der Ermittlung und Aufstellung genereller
Bewertungskriterien. An der Universität Kiel (Prof. Dr. A. Dahmke) befasst man sich mit der Evaluierung und
der weiteren Entwicklung von geeigneten Voruntersuchungsverfahren, der Erstellung von Massenbilanzen, von
Überwachungsstrategien und -techniken sowie dem Qualitätsmanagement in Form einer vergleichenden Labor- und
Feldstudie.
Aufgrund der Komplexizität und Vielzahl der zu klärenden wissenschaftlich-technischen Fragen und Aufgabenstellungen
wurde zusätzlich zu den Einzelprojekten eine Koordinierungsstelle eingerichtet, die in allen übergreifenden
Fragestellungen den Einzelprojekten zuarbeitet, die anfallenden Einzeldaten sammelt, archiviert und im Hinblick
auf die übergeordneten Aufgabenstellungen des Gesamtvorhabens auswertet sowie generelle organisatorische Aufgaben
übernimmt. Ferner wird noch ein Beirat aus einigen externen, unabhängigen Fachleuten gebildet, der ein- bis zweimal
pro Jahr tagen wird und in unterschiedlichen Fachfragen beraten und unterstützen soll.
Seit Beginn und insbesondere seit Mitte der neunziger Jahre sind diese innovativen, passiven In-situ-Umwelttechnologien
zur Dekontaminierung von belastetem Grundwasser vor allem in den USA und Kanada in steigendem Maße entwickelt,
untersucht und angewendet worden. Ständige Weiterentwicklungen und Verbesserungen erfolgen durch Initiierung neuer
FuE-Projekte auf der Basis der aus bereits durchgeführten Pilotprojekten und technischen Implementierungen
erhaltenen und durch die US-Umweltbehörde EPA (Environmental Protection Agency) umfassend ausgewerteten Daten.
In Deutschland sind ungefähr ab 1995 steigende FuE-Aktivitäten zu verzeichnen (insbesondere Universität Tübingen,
Prof. G. Teutsch, und Universität Kiel, Prof. A. Dahmke) und bereits einige Einzelprojekte im
technisch-industriellen Maßstab (Pilotstatus und/oder "Full-Scale") in Betrieb oder stehen kurz vor der Ausführung
(Standorte Rheine, Edenkoben, Tübingen, Bitterfeld, Karlsruhe). Sie besitzen über das nationale Interesse
hinausgehend eine erhebliche wissenschaftlich-technische Relevanz und werden daher international, d. h. vor allem
in Nordamerika, mit großem Interesse verfolgt.
In dem neuen FuE-Verbund hat man es sich zum Ziel gesetzt, die ökonomischen und ökologischen Potentiale reaktiver
Wände verstärkt und möglichst umfassend zu erforschen. Neben Fragen aus der Grundlagenforschung stehen in
den einzelnen Projekten vor allem innovative Weiterentwicklungen oder Modifikationen bestehender Systeme und
Vorbereitungen zu weiteren großtechnischen Umsetzungen im Vordergrund der geplanten Maßnahmen. Über die
Aufgabenstellungen der einzelnen, individuell ausgelegten Projekte hinaus gilt es, übergeordnet insbesondere die
Einsatzfähigkeit und -breite, die Effizienz und Langzeitwirksamkeit sowie die Wirtschaftlichkeit eingehend zu
untersuchen und möglichst zuverlässig und umfassend zu bewerten.
Aufgabe und Ziel ist ferner die Analyse und fachübergreifende Auswertung der gewonnenen Aussagen unter
Berücksichtigung internationaler Entwicklungstendenzen, die Organisation von Statusseminaren, Fachgesprächen und
Workshops mit dem Ziel einer zeitnahen Auswertung und Publikation von Ergebnissen des Forschungsverbundes.
Die Ergebnisse des Vorhabens sollen in die Erstellung eines Referenzhandbuches für die Reinigungswandtechnologien
münden, in dem "Beispiele für die Vorbereitung, Errichtung und den Betrieb von Reinigungswänden für die
Altlastensanierung" dargestellt werden. Es soll außerdem als "State-of-the-art"-Report dienen und allgemeine
Bewertungskriterien sowie einen Leitfaden für die künftige Anwendung der innovativen Technologien der reaktiven
Wände zur Grundwassersanierung enthalten.
Einleitung
Durchströmte Reinigungswände sind neue Verfahren zur Sanierung von Grundwasserschadensfällen direkt im Aquifer (in-situ, „an Ort und Stelle“), die darüber hinaus ohne einen nennenswerten oder gar keinen permanenten Energieeintrag von außen, d. h. passiv, erfolgt. Eine Reinigungswand unterbindet oder reduziert den Schadstoffstrom, wohingegen das Grundwasser selbst die Wand passieren kann.
Mithin nutzt man – im weiteren Sinne – eine Art Filtereffekt, der infolge der Platzierung geeigneter, wasserdurchlässiger (permeabeler) „Filter“-Materialien (allgemein als reaktive Materialien bezeichnet) direkt im Untergrund im Strömungspfad des Grundwassers erzielt wird (siehe Abb. 1). Der Filtereffekt entsteht dadurch, dass die reaktiven Materialien die Schadstoffe chemisch und/oder biologisch immobilisieren oder retardieren und/oder chemisch oder biologisch abbauen (umsetzen). So verwendet man im ersten Fall vorteilhaft beispielsweise Aktivkohle (z. B. zur Retardation von PAK durch Adsorption), d. h. ein in der Abwasserbehandlung seit langem bewährtes Material, im zweiten Fall z. B. elementares Eisen (vorwiegend zum Abbau von LCKW durch Dechlorierung). Der Filtereffekt tritt im Moment der Passage des belasteten Grundwassers durch das in Form loser Schüttungen (Granalien, Pellets etc.) wasserdurchlässig ausgestaltete reaktive Material ein, d. h. beim unmittelbaren Kontakt der (gelösten) Schadstoffe mit dem reaktiven Material. Infolgedessen geht von dem behandelten, d. h. schadstofffreien oder zumindest signifikant schadstoffabgereicherten Grundwasser im Abstrom der durchlässigen Barriere nicht mehr länger eine unakzeptable Gefährdung von Schutzgütern aus (siehe Abb. 1).
Man unterscheidet im Wesentlichen zwei Konstruktionsarten:
Vollflächig durchströmte Reinigungswände („continuous reactive barriers“, CRB),
bei denen praktisch keine Lenkung des Grundwasserstromes hin zur Barriere, die das reaktive Material enthält, erfolgt sowie
Reinigungswände mit gelenktem Grundwasserstrom,
wie z. B. „Funnel-and-Gate“ -Systeme oder „Drain-and-Gate“ -Systeme, deren Gates man häufig als Schacht- oder Brunnenbauwerke ausgelegt findet, die zumeist eingestellte oder eingehängte Reaktoren enthalten oder Schüttungen von reaktiven Materialien aufweisen können.
Auch reaktive Zonen, hergestellt durch das Einbringen von reaktiven Medien in den Untergrund, zumeist durch Injektionsverfahren, lassen sich als Reinigungswände auffassen, wenngleich der Übergang zu Maßnahmen, natürliche mikrobiologische Abbauprozesse im Untergrund zu stimulieren („Enhanced Natural Attenuation“, abgekürzt ENA ), fließend ist.
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Abb. 1. Veranschaulichung des fundamentalen Funktionsprinzips einer durchströmten Reinigungswand, grobschematisch. Das in der Wand verfüllte reaktive Material ist wasserdurchlässig und entfernt bei der Passage des belasteten Grundwassers die Schadstoffe. Der Vorgang erfolgt passiv, d. h. ohne nennenswerten Energieeintrag von außen. |
Als Beispiel für eine in Deutschland errichtete durchströmte Reinigungswand zeigt Abb. 2 Aufnahmen aus der Bauphase 1998 und das Funktionsprinzip der Pilot-CRB in Rheine (Nordrhein-Westfalen). Es handelt sich um eines der ältesten Projekte hierzulande, das mittels porösem elementarem Eisen („Eisenschwamm“)als reaktivem Material Tetrachlorethen (auch Perchlorethen (PCE) genannt) in einer Konzentration von mehreren 1.000 µg/l seit 1998 zu über 99 % zuverlässig abbaut und umfangreichen Langzeituntersuchungen dient. In Abb. 10, wird darüber hinaus der Zustand nach Beendigung der Bauphase veranschaulicht, d. h. die durchströmte Reinigungswand „im Betriebszustand“ abgebildet.
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Abb. 2. Errichtung und Funktionsprinzip der Reinigungswand in Rheine, 35 km westlich von Osnabrück (erste Eisen-CRB Deutschlands, Pilotmaßstab, gebaut 1998). Einbau zweier unterschiedlicher Eisensorten in zwei voneinander getrennten Segmenten aus überschnittenen Großbohrpfählen (einreihig), Durchmesser ca. 80 cm. Oberes Bild: Erstellung der Großbohrungen, mittleres Bild: Befüllung der Großbohrungen mit elementarem Eisen (Eisenschwamm oder Eisengranulat/Kies-Gemisch). Der spätere „Betriebszustand“ wird zum Vergleich weiter unten verdeutlicht (Abb. 10). |
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Dabei können Reinigungswände mit gelenktem Grundwasserstrom oder Reinigungszonen in ganz unterschiedlichen Weisen an- und auch durchströmt werden, zuvorderst jedoch horizontal (siehe etwa Abb. 1 und Abb. 2). Im Prinzip verlangen alle von der (klassischen) horizontalen Strömungsrichtung abweichenden Ausgestaltungen eine passive oder sogar aktive Umlenkung des Grundwasserstromes, was zwangsläufig eine besonders sorgfältige Planung erfordert und auch zu erhöhten Bau- und/oder Betriebskosten führen kann. Solche Maßnahmen finden ihre Rechtfertigung dann, wenn etwa Platzprobleme oder komplizierte Strömungsverhältnisse (z. B. geringe Aquiferdurchlässigkeiten) zu einer speziellen Kontrolle und/oder Lenkung des Grundwasserstromes zum reaktiven Material hin oder innerhalb der reaktiven Zone Anlass geben.
Bei langsamer Grundwasserfließgeschwindigkeit hat man grundsätzlich von einer Behandlungszeit in der Größenordnung von Jahren, vorwiegend Dekaden, auszugehen. Dies bedeutet auch, dass eine Reinigungswand über einen beträchtlich langen Zeitraum zuverlässig funktionieren muss, um Eingriffe von außen zu vermeiden, die i. d. R. mit Zusatzkosten verbunden sind.
Da sich die Reinigungswirkung durchströmter Wände im Wesentlichen nur auf das abströmende Grundwasser bezieht, sind sie in der Regel den hydraulischen Sicherungsmaßnahmen zuzuordnen, auch wenn in den Wandsystemen ein Abbau von Schadstoffen stattfindet oder stattfinden kann. Der Langzeitbetrieb von Reinigungswänden, ihre Langzeitunterhaltung und -erhaltung sowie Funktionskontrolle erfordern daher mit Abschluss der Sanierung, d. h. nach der Errichtung des Bauwerkes im Untergrund, eine Nachsorge. Sie ist identisch mit der Betriebszeit, die viele Jahre oder Jahrzehnte dauert.
Grundlegende Kenntniserfordernisse
Die Errichtung einer Reinigungswand oder -zone erfolgt in einer komplexen Umgebung (d. h. dem Untergrund mit seinen speziellen lokalen geologischen, hydrogeologischen und geochemischen Charakteristika). Sie muss über lange Zeit, dazu ohne Eingriff von außen, einwandfrei funktionieren. Ihre Errichtung setzt folglich im technisch-wissenschaftlichen sowie rechtlichen Bereich besonders umfassende Kenntnisse und bestimmte Erfahrungshorizonte in Bezug auf mehrere Disziplinen bzw. Gebiete voraus:
Konstruktion und Bau: Ingenieurtechnik, Spezialtiefbauverfahren
Positionierung und Dimensionierung: Geologie, Hydrogeologie, Hydraulik, Geochemie (Kenntnisse des Untergrundes selbst und des Grundwasserfließverhaltens, der Grundwasser-Geobiochemie, Verteilung der Schadstoffe)
Reaktive Materialien und Abbauprozesse, d. h. Identifizierung und Vortestung geeigneter reaktiver Materialien sowie Kenntnisse des Abbauverhaltens der Schadstoffe an den reaktiven Materialien (abiotische wie biotische Prozesse) als Voraussetzung zur richtigen Dimensionierung der Barriere und Prognose ihrer Langzeitleistung, Interaktion reaktives Material/Grundwasserinhaltsstoffe als Voraussetzung zur Prognose der Langzeitstabilität: Chemie, Geochemie und Biologie
Rechtliche Fragen bzgl. Umleitung des Grundwasserstromes, Einbringen von reaktivem Material in das Grundwasser, Entsorgung von reaktivem Material nach Außerdienststellung, Errichtung eines Bauwerkes: Wasserrecht, Bodenschutzrecht, Baurecht
Es wird deutlich, dass die korrekte Funktionsweise einer Reinigungswand, die über einen langen Zeitraum ohne zusätzliche Eingriffe von außen zu gewährleisten ist, entscheidend von der übergreifenden Auswertung und Anwendung vielfältiger interdisziplinärer Kenntnisse (allgemeine wie auch standorttypische) in der Planungsphase abhängt. Beispielsweise lässt sich eine Reinigungswand nicht einfach versetzen oder erweitern, wenn sie nicht richtig im Grundwasserstrom positioniert wurde/diesen nicht exakt erfasst und deshalb kontaminiertes Grundwasser aufgrund von Planungsfehlern an ihr vorbeiströmt. Vornehmlich sind Teilbereiche der Disziplinen Ingenieurwissenschaft, Geologie, Hydrogeologie, Hydrologie, Geochemie ((Grund)-Wasserchemie), organische, anorganische und physikalische Chemie und Biologie („ Ingenieurgeo(bio)chemie “) tangiert.
Spezielle (Teil-)Kenntnisse des Umweltrechtes, aber auch des Baurechtes, sind gleichermaßen bereits bei der Vorplanung unverzichtbar.
Entwicklungsstand der Technik
Die Reinigungswandtechnik wurde in Nordamerika während der späten achtziger und frühen neunziger Jahre eingeführt. Im Hinblick auf die Anwendung von elementarem Eisen zur Dehalogenierung von bestimmten leichtflüchtigen chlorierten Kohlenwasserstoffen (LCKW; englisch „chlorinated volatile organic compounds“, cVOC oder CVOC abgekürzt) hat man sie praktisch sofort anschließend innerhalb weniger Jahre zur Anwendungsreife entwickelt sowie sukzessive in Feldprojekten pilot- und vollmaßstäblich (full-scale) implementiert: So setzte man erste Feldprojekte mit Pioniercharakter in den Jahren 1991 und 1994 an den zwei Standorten Borden (Kanada, Ontario, Pilotmaßstab) bzw. Sunnyvale (U.S.A., Kalifornien, full-scale) um. Ab 1995/96 setzte, allerdings nur in den U.S.A., nicht in Kanada, eine vermehrte Feldimplementierung ein.
Die ältere Literatur weist darüber hinaus Belege aus, dass bereits zwischen 1970 und 1990 einige Forscher wichtige Grundprinzipien und Grundlagen hinsichtlich der reduktiven Dehalogenierung von polychlorierten Schadstoffen in Grund- und Abwässern durch unedle Metalle gefunden bzw. erarbeitet hatten. Gleichwohl waren diese Erkenntnisse an vereinzelten Stellen und weitgehend unkoordiniert, insbesondere hinsichtlich auf die Verwendung von Eisen, entstanden.
In Nordamerika und Westeuropa wurden bislang praktisch alle bekannten Reinigungswand-Bauwerke errichtet : Im Hinblick auf Westeuropa vor allem in Großbritannien, Dänemark, Frankreich und Deutschland – daneben wenige Reinigungswände in anderen europäischen Staaten, z. B. Schweiz, Österreich, Benelux. Auf europäischer Ebene bestehen seit Jahren unterschiedliche Verbundvorhaben. Die Gesamtzahl aller bekannten Feldprojekte beläuft sich weltweit auf ca. 80-100 (Stand: Ende 2003).
Reinigungswände sind bislang nur in relativ geringem Umfang bei anderen Klassen von Grundwasserschadstoffen angewendet worden, etwa für landläufige Schwermetalle (Blei, Zink, Cadmium, Kupfer usw.) oder für polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), andere aromatische Verbindungen (Benzol, Toluol, Ethylbenzol, Xylole = BTEX) oder Mineralölkohlenwasserstoffe (MKW), weil noch geeignete und/oder wirtschaftliche reaktive Materialien fehlen oder sie sich erst in der Entwicklung befinden. Dies betrifft beispielsweise Kombinationen von bekannten reaktiven Materialien, wie Eisen und Aktivkohle oder Eisen und sauerstoffspendende (-freisetzende) Materialien („Oxygen Release Compounds“), insbesondere zur Behandlung von Mischkontaminationen verschiedener Schadstoffgruppen und -klassen, sowohl von organischen als auch anorganischen (Labor- und kleintechnischer Maßstab) und auch Zeolithe oder Eisenoxide zur Entfernung von Arsen im Projekt Wiesbaden des RUBIN-FuE-Verbundvorhabens.
Bei Reinigungswänden, die bereits in den ersten Betriebsjahren nicht die erwartete Reinigungsleistung aufwiesen, hat man u. a. folgende Gründe für die beobachteten Probleme identifiziert:
Einflussparameter unvollständig und/oder ungenügend ermittelt
Modellierungen fehlerhaft oder ungenügend durchgeführt
Bauausführung fehlerhaft
Unvorhergesehene Ereignisse mit direkter Auswirkung auf das Grundwasserregime (drastische Erhöhung des Grundwasserspiegels infolge von Flutereignissen usw.)
Elementares Eisen („Fe(0)-Technologie“) zur Dechlorierung von LCKW
In Nordamerika wird bereits heute zumindest die Anwendung von elementarem technischem Eisen in Reinigungswänden zur reduktiven Dechlorierung von bestimmten LCKW als praktisch etablierte Sanierungstechnik eingestuft: So liegen bereits umfassende Handbücher, Leitfäden und Abschlußberichte, die sich schwerpunkthaft der Anwendung dieser Variante in Theorie und Praxis widmen, auch in standortübergreifenden Evaluationsprojekten, vor, beispielsweise:
„Final Design Guidance for Application of Permeable Reactive Barriers for Groundwater Remediation“ (Battelle-Institut, Columbus, Ohio, U.S.A.)
„Regulatory Guidance for Permeable Reactive Barriers Designed to Remediate Chlorinated Solvents“ (Interstate Technology and Regulatory Cooperation Work Group Permeable Reactive Barriers Work Team)
„Evaluating the Longevity and Hydraulic Performance of Permeable Reactive Barriers at Department of Defense Sites“
„Capstone Report on the Appplication, Monitoring, and Performance of Permeable Reactive Barriers for Ground-Water Remediation: Volume 1 Performance Evaluations at Two Sites“
Elementares Eisen ist das am häufigsten eingesetzte reaktive Material (in über der Hälfte aller ungefähr 60-70 Projekte). In der überwiegenden Zahl der Projekte sind die Anwendbarkeit und Durchführbarkeit prinzipiell belegt. Die Reinigungsleistung wird jedoch häufig nach uneinheitlichen Vorgaben bewertet; der Ort ihrer Bewertung liegt fast immer allein innerhalb der Barriere. Für die älteste Reinigungswand, d. h. das Bauwerk im Borden-Testfeld, Kanada, liegen Daten zur Abreinigungsleistung über mehr als 10 Jahre vor, die eine konstante Dehalogenierungsrate von ungefähr 90 % belegen.
In Deutschland existieren strengere Sanierungszielwerte als in Nordamerika. Damit werden an die Abreinigungsleistung von Reinigungswänden hinsichtlich zu erreichender Schadstoff- Konzentrationen höhere Erwartungen geknüpft als jenseits des Atlantik. Allgemein liegt der Sanierungszielwert für LCKW im Grundwasser in Deutschland bei 10 mg/l. Man geht hierzulande davon aus, dass dieser Wert im Abstrom einer full-scale-Wand innerhalb der ersten Jahre nach ihrer Errichtung erreicht und eingehalten wird.
Auf der anderen Seite hat man in den U.S.A. an unterschiedlichen Reinigungswandstandorten Sanierungszielwerte relativ uneinheitlich und häufig auf deutlich höherem Niveau liegend als hierzulande definiert: Beispielsweise beträgt das Abreinigungsziel für cis-DCE allein an mehreren Standorten 70 mg/l. Höchstwahrscheinlich will man damit der häufig gemachten Erfahrung Rechnung tragen, dass z. B. cis-DCE mit elementarem Eisen häufig schwieriger zu dechlorieren ist als PCE oder TCE. Weil cis-DCE das unmittelbare (Teil-)Dechlorierungsprodukt von PCE und TCE ist, ergibt sich der Befund, dass die ursprünglichen Kontaminanten PCE und TCE bei der Dechlorierung an Eisen ein (toxisches) Zwischenprodukt auf dem Gesamtabbaupfad hin zu vollständig dechlorierten Produkten (Ethen, Ethin, Ethan usw.) erzeugen, das signifikant schwerer (langsamer) abbaubar ist als jene selbst. Die gleiche Aussage gilt häufig für VC, das aus cis-DCE entsteht.
Darüber hinaus ist festzustellen, dass man in Nordamerika die Sanierungszielwerte zumeist nur innerhalb der reaktiven Zone festlegt; im Abstrom der Wand misst man häufig zum Teil wieder deutlich erhöhte Schadstoffkonzentrationen, die toleriert werden. Man begründet diesen Befund zumeist mit der Hypothese, dass im Aquifer vorhandene Restschadstoffmengen abstromig der Barriere eine längere Zeit zur vollständigen Desorption benötigten. Als Beispiel enthält Abb. 3 eine Übersicht zum F&G-System in Sunnyvale, Kalifornien, der ältesten full-scale-Reinigungswand (gebaut Anfang 1995).
Im Jahre 2002, d. h. nach siebenjähriger Betriebszeit, wurde am F&G-System in Sunnyvale eine effiziente Abreinigung innerhalb der reaktiven Eisenzone beobachtet.
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Abb. 3. Lateral differenzierte LCKW-Werte der F&G-Systems (full-scale) in Sunnyvale, Kalifornien (nahe San Francisco), nach siebenjähriger Betriebszeit (2002). Innerhalb der Barriere erfolgt eine zuverlässige Abreinigung auf eine Gesamt-LCKW-Konzentration von weniger als 50 µg/l. Die cis-DCE-Werte (kurz hinter der Barriere abstromig ermittelt, Messstelle „H“) allein wären allerdings in Bezug auf die in Deutschland erlaubte Gesamt-LCKW-Grenzwertkonzentration kritisch zu beurteilen (Copyright: Geomatrix, Oakland, CA, U.S.A.). Großbuchstaben (A-H) bezeichnen Messstellen. |
Es ist bemerkenswert, dass die US-Bundesstaaten und ihre zuständigen Behörden noch keine einheitlichen und definitiven Vorgaben für Zielwerte abstromig einer durchströmten Reinigungswand, sowohl räumlich als auch zeitlich gesehen, machen. Eine abschließende Bewertung der Situation in Deutschland, insbesondere vor dem Hintergrund, dass konventionelle Verfahren, die hierzulande als etabliert gelten, bei weitem nicht immer Sanierungszielwerte präzise erreichen, steht noch aus.
Die zugrundeliegenden Mechanismen der reduktiven Dechlorierung von LCKW mittels elementarem Eisen in Wasser, insbesondere von chlorierten Ethenen, sind auf molekularer Ebene intensiv untersucht worden, wenngleich einige Detailschritte noch nicht vollständig verstanden oder aufgeklärt sind. Vollständige Massenbilanzen fehlen dagegen. Es ist daher heute noch unbestimmt, in welchem Ausmaß PCE, TCE oder cis-DCE an elementarem Eisen zu vollständig chlorfreien, niedermolekularen Kohlenwasserstoffen wie beispielsweise Ethen oder Ethan definiert abbaubar sind. Ferner fehlt eine Überprüfung dieses Sachverhalts in Bezug auf unterschiedliche technische Eisensorten, deren Zusammensetzung in der Praxis variiert und die einen Einfluss auf das Abbauverhalten ausübt.
Der Nachweis von längerkettigen Kohlenwasserstoffen wie etwa Butan könnte ein Indiz auch für Polymerisationsreaktionen zu makromolekularen Verbindungen bislang unbekannter Natur sein, die sich nicht einfach isolieren und infolgedessen nachweisen lassen. Eine zuverlässige Einordnung oder gar genaue Bestimmung von Nebenreaktionen kann nur auf der Basis einer zuverlässigen Massenbilanz vorgenommen werden.
Die zuverlässige Prognostizierbarkeit der Langzeitstabilität und wirksamkeit von Eisen-Reinigungswänden zur LCKW-Dechlorierung über einen Zeitraum von Dekaden ist, trotz umfangreicher Labor- und Feldstudien, ebenfalls noch nicht abschließend geklärt, wenngleich dieser Aspekt in Nordamerika und Deutschland unterschiedlich diskutiert wird: In Nordamerika bestehen praktisch nur wenige (marginale) oder gar keine offene Fragen mehr, in Deutschland hingegen durchaus mehrere, als relevant angesehene.
Für die Pilot-Reinigungswand in Rheine, an der schon umfangreiche Langzeituntersuchungen durchgeführt worden sind, koinzidieren in Bezug auf den in einem Segment eingesetzten Eisenschwamm die Vorhersage und die bisherige tatsächlich ermittelte Feldleistung in den ersten Betriebsjahren über größere Zeitintervalle relativ gut – ein für Planer, Behörden und Sanierungspflichtige wichtiges Moment, im Rahmen der Sanierungsuntersuchung oder Machbarkeitsstudie eine Reinigungswand gegenüber anderen Verfahren zu favorisieren. Die Untersuchungen und darauf basierenden Berechnungen bezogen sich allerdings allein auf den Ausgangsschadstoff PCE. Vorausgesetzt wurde ferner, dass keine Extremwerte der Strömungsgeschwindigkeiten innerhalb der Reaktionswand (1-20 cm/Tag) in die Modellrechnungen eingingen, die, weil sie letztere stark beeinflussen, eher unrealistische Vorhersagen zur Folge gehabt hätten.
Elementares Eisen setzt man darüber hinaus zur gekoppelten Reduktion und Immobilisierung („reduktive Fixierung“) von bestimmten Schwermetallen wie Chrom und Uran (jeweils in der Oxidationsstufe 6) ein. Weiterhin hat man schon vereinzelt Eisen kombiniert mit Mikrobiologie und Kalkstein großtechnisch oder wenigstens pilotmaßstäblich im Feld eingesetzt.
Nicht alle chlorierten Kohlenwasserstoffe (CKW) lassen sich mit der Fe(0)-Technik in Reinigungswänden behandeln, d. h. mit elementarem Eisen dechlorieren, insbesondere aromatische, wie z. B. Chlorbenzole, -toluole, -phenole oder -biphenyle (PCB) sind praktisch durchgehend nicht abbaubar. Behandelbar sind dagegen vor allem gesättigte und ungesättigte chlorierte aliphatische Verbindungen, etwa Tetra- oder Trichlormethan bzw. chlorierte Ethene, die zu den LCKW zählen. Aber auch unter den LCKW gibt es einige wichtige Vertreter, die als Grundwasserschadstoffe auftreten können, z. B. Dichlormethan oder 1,1-Dichlorethan, die nicht bzw. nur schwer von elementarem Eisen angegriffen werden.
Beide Verbindungen werden auch als ein- oder zweistufige Dechlorierungsprodukte beim Abbau von Tetra- und Trichlormethan bzw. 1,1,1-Trichlorethan an Eisen gebildet. Weil sie sich nicht weiter abbauen lassen, gilt deshalb hinsichtlich der Ausgangsschadstoffe, dass diese damit selbst nur unvollständig dechlorierbar sind. Bei Grundwasserschadensfällen, die in hohem Maße oder ausschließlich durch solche LCKW gekennzeichnet sind, ist daher eine Behandlung mit elementarem Eisen nicht empfehlenswert, da mit geringen Abreinigungsleistungen in Bezug auf den Gesamt-LCKW-Restwert zu rechnen ist. Man erzeugte aus vorhandenen LCKW lediglich neue (mit einer geringeren Zahl an Chloratomen). Daher hat man in solchen Szenarien stattdessen alternative reaktive Materialien zu betrachten, beispielsweise Aktivkohle oder Palladium (siehe unten).
Somit wird deutlich, dass die Kenntnis über die grundsätzliche Behandelbarkeit jedes einzelnen zu betrachtenden Schadstoffes mit einem speziellen reaktiven Material unabdingbar ist, darüber hinaus jedoch auch die Kenntnis der Abbauwege und der zu erwartenden Endprodukte, um nicht bereits in einem frühen Stadium des Sanierungsvariantenstudiums klare Ausschlußkriterien für den Einsatz einer Reinigungswand zu übersehen.
Liegt etwa ein Schadstoffgemisch aus mehreren Schadstofftypen vor, beispielsweise PCE und Chlorbenzolen, von denen letztere nicht mit Eisen dehalogeniert werden können, so kann der Einsatz einer Kombination verschiedener reaktiver Materialien, hier etwa von Eisen und Aktivkohle, bereits für den großtechnischen Maßstab erwogen werden, wenn sie zuvor im Pilotrahmen für eine solche Schadstoffkombination erfolgreich getestet wurden und ihr Einsatz sich aufgrund einer erheblich verteuerten Investitionssumme gegenüber Eisen allein nicht ausschließt.
Ist eine grundsätzliche Behandelbarkeit gegeben und zeichnet sich eine Reinigungswand zumindest als realistische oder bereits sogar zu favorisierende Sanierungsvariante ab, so sind konkrete Vorversuche (Säulenversuche im Labor mit Standortwasser und ggf. auch on-site-Versuche mit Großsäulen) unbedingt angezeigt. Eine solche Vorgehensweise gilt auch bei einem Monoschadensfall, der mit elementarem Eisen schon aufgrund von Literaturdaten und Vergleichsfällen „theoretisch“ gut behandelbar sein sollte, um die genaue Wirkung des reaktiven Materials (Ermittlung reaktionskinetischer Kenngrößen, d. h. von Halbwertszeiten bzgl. des Abbaus oder der Sorption usw.), insbesondere in Abhängigkeit von der speziellen Grundwasserzusammensetzung am Standort, ermitteln und bewerten zu können. Mögliche, vor allem kurzfristig eintretende, rein abiotische Wechselwirkungen zwischen reaktivem Material und Grundwasserinhaltsstoffen und ihre Auswirkung auf den langfristigen Schadstoffabbau oder -rückhalt lassen sich auf diese Weise in einigen Fällen schon frühzeitig erkennen, und es besteht die Aussicht, sie für Feldbedingungen zu prognostizieren.
Wie festzustellen ist, sind die Sanierungszielwerte für die US-amerikanischen Reinigungswände, die mit elementarem Eisen als Dechlorierungsmittel befüllt sind, häufig uneinheitlich und liegen vergleichsweise zum Teil deutlich höher als bei Grundwassersanierungen in Deutschland (insbesondere bei chlorierten Ethenen, z. B. cis-DCE). Man bezieht sie zudem allein auf die innerhalb der reaktiven Zone gemessenen Werte, nicht jedoch auf diejenigen im Abstrom, die dort wieder erhöht sein können. Erklärt wird dieses Phänomen, das an einer größeren Zahl von Standorten beobachtet wird, zumeist mit Restschadstoffgehalten im Aquifermaterial abstromig der Wand, die über die Zeit noch eluiert werden/desorbieren (s. Abb. 3 und Abb 4). Versuche, dieses Postulat zu untermauern, etwa durch Entnahme und Untersuchung von entsprechenden Proben, hat es allerdings bis heute offenbar nicht gegeben. An einigen Reinigungswänden hat man auch Umströmungen (lateral und/oder vertikal) festgestellt.
Durchströmte Reinigungswände gelten aufgrund der zuvor gemachten Ausführungen in Deutschland noch nicht als etablierte Sanierungstechniken, also auch nicht in Bezug auf die Anwendung von elementarem Eisen zur Dechlorierung von PCE, TCE oder anderen LCKW.
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Abb. 4. Zeitlich differenzierte Konzentrationen von TCE (oben) und cis-DCE (unten) für die Transekte des sog. „Segmentes 1“ der Eisen-Reinigungswand (full-scale) auf der Warren Air Force Base (Wyoming, U.S.A.) innerhalb der anfänglichen, zweijährigen Betriebszeit. Die Sanierungszielwerte betragen für TCE 5 µg/l und für cis-DCE 70 µg/l (für trans-DCE 100 µg/l) (Copyright: URS Corporation, Denver, U.S.A.).
PRB = Permeable Reactive Barrier = Reinigungswand; Distance (feet) = Entfernung in Fuss; Groundwater Flow = Grundwasserfließrichtung; Concentration = LCKW-Konzentration [µg/l]; Buchstaben bezeichnen Messstellen.
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Aktivkohle zur Retardation von PAK, BTEX, LCKW
In der Abwasserreinigung und auch bei aktiven Grundwassersanierungsverfahren ist Aktivkohle seit längerem ein probates Adsorptionsmittel für eine Vielzahl von Schadstoffen. Sie lässt sich daher ebenfalls als vielversprechendes Material für die adsorptive Eliminierung von PAK und anderen Schadstoffen, beispielsweise persistente chlorierte aromatische Verbindungen (Chlorbenzole und -phenole, Kresole, PCB usw.), in Reinigungswänden nutzen: Mit Aktivkohle kann man das Anwendungsspektrum von Reinigungswänden signifikant erweitern, weil beispielsweise weder PAK noch Chloraromaten von nullwertigem Eisen aufgrund seines relativ niedrigen Reduktionspotenzials reduziert bzw. reduktiv dechloriert werden können.
Feldanwendungen von Reinigungswänden mit Aktivkohle sind an den Standorten Karlsruhe, Reichenbach, Denkendorf und Bitterfeld sowie Brunn am Gebirge, Auby und Brest (Frankreich) sowie Tifton (U.S.A.) bereits großtechnisch realisiert, wo größtenteils PAK und/oder Chloraromaten und auch komplexe Schadstoffgemische erfolgreich behandelt werden. Offenbar räumt man besonders in Europa Aktivkohle einen beträchtlichen Stellenwert als reaktives Material ein. Darüber hinaus sind die Installationen in Denkendorf, Bitterfeld, Brunn am Gebirge und Tifton durch Schachtbauwerke, in denen mit Aktivkohle beschickte Reaktorgefäße eingelassen wurden, gekennzeichnet. Alle zuletzt genannten Standorte haben bislang sehr gute Abreinigungsleistungen gemeldet.
Damit wird evident, dass zukünftig insbesondere Kombinationen aus einem weitgehend unselektiv stark auf eine Reihe von Schadstoffen wirkenden Adsorptionsmittel - wie es Aktivkohle besonders darstellt - und Reinigungswandkonstruktionen, die ausgedehnte Eingriffsmöglichkeiten bei potenziellen Störungen während des Betriebs erlauben, als eine gleichermaßen effizient und in der Breite verlässlich arbeitende Variante der Technologie anzusehen sind. Wie zu beachten ist, sind die Standzeiten und ein Materialaustausch planungsrelevante Aspekte.
Palladium und molekularer Wasserstoff zur katalytischen Hydrogenierung
Wie man erst in jüngerer Zeit gezeigt hat, gelingt es, mit bestimmten modifizierten Metallkatalysatoren, wie z. B. auf der Basis von Palladium, molekularen Wasserstoff (H2) als Reduktionsmittel auch in einer wässrigen Umgebung stark zu aktivieren. Auf diese Weise hat man es in der Hand, thermodynamisch schwer angreifbare Kohlenstoff-Kohlenstoff-Doppelbindungen in PAK zu reduzieren und diese damit zu biologisch leichter abbaubaren Produkten umzuwandeln sowie selbst chlorierte aromatische Schadstoffe vollständig zu hydrogenolysieren, d. h. sämtliche Chloratome gegen Wasserstoffatome zu substituieren - mithin eine komplette reduktive Dehalogenierung zu erreichen. Durch „Aufziehen“ von feinverteiltem Palladiummetall auf Zeolithe oder durch Einbettung des Metalls in eine feste Silikonpolymermatrix entwickelte man ganz neuartige Palladiumkatalysatoren: Im Gegensatz zu konventionellen erwiesen sie sich bedingt stärker resistent gegenüber Katalysatorgiften, wie z. B. Sulfid.
Da bei ungünstigen Grundwasserzusammensetzungen, d. h. beispielsweise bei höheren Sulfatgehalten, dennoch relativ kurze Katalysatorstandzeiten von wenigen Tagen auftreten können (Sulfatreduktion zu Sulfid), entstand in einer Weiterentwicklung ein nunmehr weitgehend universell einsetzbares Verfahren zur Strippung kontaminierter Grundwässer und nachfolgender Gasphasendehalogenierung mit Hilfe der genannten Palladium-Zeolith-Katalysatoren. Allerdings handelt es sich dabei um ein aktives ex-situ-Verfahren. Wie daraus folgt, ist die Anwendung von Palladium oder auf Palladium beruhenden reaktiven Materialien zur passiven in-situ-Dekontaminierung eines kontaminierten Grundwassers allenfalls eine Option bei besonders günstigen Spezialfällen, wo eine schnelle Vergiftung durch Sulfid oder andere Inhibitoren kaum zu befürchten ist.
Eisendispersionen und Nano-Eisen zur Dechlorierung von LCKW
Es ist seit langem bekannt, dass feinverteilte unedle Metalle und vor allem ihre Dispersionen aufgrund stark vergrößerter Oberflächen häufig signifikant gesteigerte Reaktivitäten in metallorganischen Reaktionen aufweisen.
Ob die in jüngster Zeit in Nordamerika durchgeführten FuE-Projekte zur Dechlorierung von LCKW mit Eisenemulsionen sich auch als feldtauglich in full-scale-Anwendungen erweisen, ist noch unbestimmt. Erste, vielversprechende Ergebnisse bei der Anwendung von Nano-Eisen und Eisenemulsionen mittels in-situ-Injektion zum Aufbau reaktiver Zonen deuten in guter Übereinstimmung mit Laborversuchsergebnissen auf eine erheblich gesteigerte Reaktivität bei der Dechlorierung von LCKW gegenüber herkömmlichem, technischen Eisen hin.
So beobachtete man drastisch gesteigerte Reaktionsgeschwindigkeiten hinsichtlich der Monodechlorierung von TCE, die in die Größenordnung der Abbaurate von Eisen/Palladium-Kombinationen(-Bimetall) reichte, sowie eine erheblich höhere Umsatzrate bei der Gesamtdechlorierung von TCE zu Ethen: Außer dem Endprodukt der vollständigen TCE-Dechlorierung konnten – im Vergleich zu Dehalogenierungsreaktionen mit konventionellen Eisenspänen/-granulaten – überhaupt keine teildehalogenierten Zwischenprodukte beobachtet werden. Möglicherweise gelingt also mit Nano-Eisen die vollständige Dechlorierung persistenter LCKW derart effektiv, dass sich teildechlorierte und teilweise stark toxische Metabolite, wie z. B. cis-DCE, die in konventionellen Eisenwänden in hohen Konzentrationen auftreten und folgerichtig im Abstrom Probleme bereiten können, ebenfalls in kurzer Zeit vollständig eliminieren lassen.
Im Feld zeitigte feinverteiltes Eisen in Versuchen im Pilotmaßstab eine TCE-Reduktion von ca. 90 %. So ist für Nordamerika mit einer Ausweitung der Projekte mit Eisendispersionen zu rechnen. Da solche Reagenzien aber in kurzer Zeit vollständig verbraucht, d. h. umgesetzt und damit ihre Wirkung verlieren können, ist zu beachten, dass ihre Wirksamkeit auf die Größenordnung von Stunden oder Tagen beschränkt sein kann. Die Injektion von feinverteilten Eisenpartikeln dürfte mithin eher zur schnellen Schadensherdsanierung oder zumindest zur Reduktion von sehr hohen LCKW-Quellenkonzentrationen als zur langfristigen Abstromsicherung/-sanierung von großräumigen Gebieten mittels durchströmter Reinigungszonen geeignet sein.
Durchströmte Reinigungswände in Deutschland und Österreich
In Deutschland wurden zwischen 1998 und 2002 an neun Standorten pilotmaßstäbliche oder volltechnische (full-scale) Reinigungswandbauwerke errichtet (siehe Abb. 5-10), teilweise im Zuge der beiden vom BMBF geförderten FuE-Netzwerke SAFIRA („Sanierungsforschung in regional kontaminierten Aquiferen“) und RUBIN: In Bernau bei Berlin (gebaut 2001, 50 % öffentlich gefördert), Bitterfeld (1999, 100 % öffentlich gefördert), Denkendorf bei Stuttgart (2000, privat, 50 % öffentliche Förderung für Teiluntersuchungen), Edenkoben bei Ludwigshafen (1998 und 2001, privat), Karlsruhe (2001, ca. 90 % öffentliche Förderung), Oberursel bei Frankfurt am Main (2002, privat), Reichenbach bei Stuttgart (2000, privat), Rheine, 35 km westlich von Osnabrück (1998, 100 % öffentliche Förderung), und Tübingen (1998, privat mit öffentlicher Teilförderung). In Edenkoben befindet sich eines der weltweit größten F&G-Systeme mit einer Länge von ungefähr 450 m (ausgestattet mit sechs Gates) (Rochmes und Woll 1998; Rochmes 2000). Tab. 1 enthält eine Kurzübersicht; das SAFIRA-Projekt am Standort Bitterfeld ist in der Literatur bereits ausführlich beschrieben.
In Österreich hat man am Standort Brunn am Gebirge (Nähe Wien) 1999 ein ausgeklügeltes, sogenanntes „Adsorptiver-Reaktor-und-Barriere“-System (AR&B) zur Eliminierung (Retardation) von Schadstoffen aus einer früheren Linoleumproduktion (teilweise auch teerwerksspezifische Kontaminationen) aus dem Grundwasser errichtet, das seit Inbetriebnahme konstant gute Abreinigungsleistungen erzielt (s. Abb. 11).
Alle genannten Reinigungswände sind gekennzeichnet durch an die besonderen Erfordernisse des jeweiligen Standortes individuell angepasste Konstruktionsmerkmale und Wirkprinzipien: So gibt es an einigen Standorten relativ flache, oberflächennah eingebaute Reaktoren, denen entweder passiv oder sogar aktiv umgeleitetes oder gehobenes kontaminiertes Grundwasser zuströmt. Die Mehrzahl der Standorte besitzt Reinigungswände mit einem gelenkten Grundwasserfluss hin zu einem unterirdischen Reaktorbauwerk, d. h. F&G- und modifizierte oder verwandte Konstruktionen, die sowohl durch speziell positionierte und/oder ausgestaltete Funnel- als auch Gate-Konstruktionen charakterisiert sind (siehe Tab. 1; Aufnahmen einiger Standorte siehe Abb. 5-10, unten).
Fünf der acht Systeme mit gelenktem Grundwasserfluss (einschließlich Bitterfeld (SAFIRA-Testanlage) und Brunn am Gebirge) sind durch speziell positionierte und/oder ausgestaltete Funnel und/oder Gates gekennzeichnet. Einige Reaktoren sind relativ flach kurz unterhalb der Geländeoberkante installiert, denen passiv oder sogar aktiv umgeleitetes oder gehobenes Grundwasser zuströmt. Technisch in vielerlei Hinsicht ausgeklügelte Elemente wurden vorgesehen, um eine größere Kontroll- und Zugriffsmöglichkeit an den Bauwerken im Falle von Störungen ausüben zu können. Die Reinigungswände in Karlsruhe, Tübingen und Oberursel sind als klassische F&G-Systeme zu bezeichnen. Damit gibt es nur zwei, relativ kurze vollflächig durchströmte Barrieren, nämlich in Rheine und Reichenbach (beide sind jeweils nicht länger als 25 m), von denen das Bauwerk in Rheine Pilotcharakter besitzt, weil man es in einer wesentlich breiteren LCKW-Fahne platziert hat.
Wie gemäß Tab. 1 und aufgrund der Ausführungen zuvor festzustellen ist, überwiegen F&G- und verwandte oder modifizierte Reinigungswandsysteme (hier generell als „Reinigungswände mit gelenktem Grundwasserfluß“ bezeichnet) in Deutschland und Österreich: Acht von zehn Reinigungswänden weisen deren Charakteristika auf, nur zwei Standorte besitzen vollflächig durchströmte Systeme. Damit unterscheidet sich die Entwicklung von den nordamerikanischen Erfahrungen. Dort favorisiert man mittlerweile vollflächig durchströmte Systeme oder reaktive Injektionszonen (beispielsweise mit feinverteiltem Eisen, wässrigen Kaliumpermanganatlösungen oder sauerstoff- oder wasserstofffreisetzenden Verbindungen (z. B. „Oxygen Release Compound“ (ORC TM), oder „Hydrogen Release Compound“ (HRC TM)) vor Wänden mit gelenktem Grundwasserstrom. Vollflächig durchströmte Systeme bieten, vorwiegend aufgrund einfacherer hydraulischer Verhältnisse und Bemessungsmöglichkeiten und der damit verbundenen, größeren Betriebssicherheit, Vorteile, aber auch infolge höherer Kosten der F&G-Konstruktionen, die teilweise stark von hydraulischen Faktoren beeinflusst sein können.
Tabelle 1. Übersicht implementierter Reinigungswandprojekte in Deutschland (2003)
Start |
Standort |
Schadstoffe |
Status (R = RUBIN-Proj.) |
Konstruktion |
Reaktor/reak-tives Material |
Kosten, Finanzierung |
Mai 98 |
Edenkoben, Automobil-zulieferer |
LCKW (cis-DCE, 1,1,1-TCA, TCE, PCE) |
Pilot |
F&G, Länge 30 m, Tiefe ca. 15 m, 1 Gate |
Eisenspäne, Aufteilung in 2 hydraul. verbundene Kammern, vertikaler Durchfluß aufwärts/ abwärts |
350.000 €, privat |
Feb. 01 |
Großtechnisch |
F&G, Länge 440 m, Tiefe 15 m, 6 Gates |
1.750.000 €, privat |
Juni 98 |
Rheine, ehemalige Reinigung |
LCKW (PCE, TCE, cis-DCE) |
Pilot (R) |
CRB, überlappende Bohrlöcher (Durchm. 0,9 m), einreihig, Länge 22.5 m, Tiefe 6 m |
Eisenspäne/Kies und „Eisenschwamm” in getrennten Segmenten, horizontaler Durchfluß |
170.000 € (Bau 1998), überwiegend öffentlich; zzgl. RUBIN (2001-2004) ca. 200.000 € |
Okt. 98 |
Tübingen, ehem. Industrie-gelände |
LCKW (TCE, cis-DCE) |
Großtechnisch |
F&G, Länge 200 m, Tiefe 10 m, 3 Gates |
Eisen, überlappende Bohrlöcher, horizontaler Fluß |
350.000 €, privat |
Okt. 99 |
Bitterfeld, chemische Industrie |
Chlorbenzole, LCKW, Phenole |
Pilot, FuE bzgl. reaktiver Materialien, „SAFIRA“- Projekt |
5 Schächte, eingehängte Stahlreaktoren, Tiefe 24 m, „Drain-and-Gate“, vertikaler Durchfluss (aufwärts) |
A-Kohle, Eisen, Palladium, Mikrobiologie (Nährstoffe, Sauerstoffzugabe, „ORC“) etc. einzeln oder in versch. Kombinationen |
6.000.000 €, öffentlich |
Jan. 00 |
Reichenbach an der Fils, Maschinen-hersteller |
LCKWs (PCE, TCE, cis-DCE) |
Großtechnisch |
CRB, nicht überlappende Bohrlöcher, Länge 20 m, Tiefe 7 m |
Säurekondition-ierte Aktivkohle |
200.000 €, privat |
Jan. 01 |
Karlsruhe, früheres Gaswerk |
PAK, VC |
Großtechnisch |
F&G, Länge 240 m, Tiefe 17 m, 8 Gates |
Granulierte Aktivkohle (Pellets) |
4.000.000 €, privat + öffentl. Förd. (90 %) |
Aug. 01 |
Denkendorf, Gewerbepark |
LCKW (PCE, TCE, TCA, cis-DCE, VC) |
Großtechnisch |
„ Drain-and-Gate“, 1 Gate (Schacht mit Reaktor, Tiefe 6 m) mit vertikalem Durchfluß (aufwärts), Drainage: Länge 90 m |
Aktivkohle |
750.000 €, privat |
Sep. 01 |
Bernau, vorm.
Großwäsche-
rei (ehem.
sowjet.
Militär-
gelände)
|
LCKW (TCE), sehr hohe Gehalte in 2 Aquiferen |
Pilot (R), Forschung u. Entwicklung für Upscaling |
Spezielles F&G-Design, 18 Reaktormodule, 2 kont. Aquifere erfassend, geschlossenes Funnel, Betriebsweise z.T. aktiv |
Eisenspäne und schwamm; Mikrobiologie
und Palladium geplant |
1.500.000 €, 50 % öffentliche Förderung |
Sep. 02 |
Denkendorf, Gewerbepark |
LCKW, Schwerpunkt: VC-Abbau |
Pilotmaßstab (R), “Treatability”/ ”Feasibility” |
Säulenversuche innerhalb des Schachtes neben dem A-Kohlereaktor (Bypass) |
Palladium auf Zeolith, Wasserstoff |
120.000 €, 50 % öffentli-che Förderung |
Jan. 02 |
Oberursel, früheres Industrie-gelände |
LCKW |
Großtechnisch |
F&G, Länge 175 m, Tiefe 4-17 m, 1 Gate |
Eisen („Kügelchen“) |
Nicht erhältlich, privat |
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Abb. 5. Standort Karlsruhe (2001, Bau: 2000) (Copyright Stadtwerke Karlsruhe): Lage und Ausrichtung des full-scale F&G-Systems mit acht Gates, jeweils befüllt mit Aktivkohle. |
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Abb. 6. Standort Bernau (2001) vor der Inbetriebnahme: Oberflächennahe rechteckige Pilot-Reaktorzelle (Gate), 5 m tief, mit 18 durchströmten Großsäulen, befüllt mit Eisen (noch in geöffnetem, teilweise nicht befülltem Zustand). |
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Abb. 7. Standort Denkendorf (Ansicht von 2002, Bau: 2001): Schacht zur Demonstration geöffnet, darin Aktivkohlereaktor; Drainage zum Reaktor ca. 90 m lang, full-scale. |
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Abb. 8. Standort Edenkoben (Ansicht von 2002, Bau Pilot-F&G 1998, Bau full-scale-F&G 2001): Oben Gate Nr. 3 (Umzäunung), unten Gate Nr. 5 (sechs Eisen-Gates insgesamt) mit Überwachungsmessstellen; full-scale, ca. 450 m lang. |
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Abb. 9. Standort Reichenbach an der Fils (2002): Vollflächig durchströmte Wand (CRB, nichtüberschnittene Bohrpfähle, zweireihig) innerhalb einer Produktionshalle (reaktives Material: Aktivkohle), full-scale, ca. 20 m lang. |
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Abb. 10. Standort Rheine (2001, 2002): Pilot-CRB-Eisenwand aus überschnittenen Bohrpfählen (einreihig, Durchmesser je 0,80 m, genau unterhalb des Bürgersteiges am Jägerzaun auf ca. 23 Metern Gesamtlänge (Mitte etwa auf Höhe der Straßenlaterne)). |
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Abb. 11. Übersicht und Konstruktion des AR&B-Systems in Brunn am Gebirge, Österreich, das sich durch eine hohe, passive Lenkung des Grundwsserstroms und die Behandlung des komplexen Schadstoffgemisches in vier Schachtreaktoren (= hohe Lenkungs-, Kontoll- und Eingriffspotenziale) auszeichnet (Copyright: Dr. Peter Niederbacher, Klosterneuburg, Österreich). |
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Obwohl die einzige bislang in Österreich gebaute Reinigungswand seit vier Jahren einwandfrei funktioniert, d. h. sämtliche Schadstoffe zuverlässig und konstant unter die Nachweisgrenze abreinigt, ist in Österreich das Interesse an dieser Technologie noch sehr begrenzt.
In Deutschland stuft man dagegen durchströmte Reinigungswände als potenziell attraktive Alternativen zu herkömmlichen Grundwassersanierungsverfahren ein. Der Umfang der Ausweitung der Technik wird jedoch maßgeblich von der Frage bestimmt sein, ob sich die gültigen Sanierungszielwerte und/oder die Reduzierung von Frachten vor allem im Langzeitbetrieb zuverlässig und bei der Mehrheit der Projekte erreichen lassen. Dann besitzen Reinigungswände das Potenzial, eine breite Akzeptanz zu erreichen, die ihnen gegenwärtig noch versagt wird. Von großer Bedeutung ist es, Planern, Behörden und Pflichtigen bereits bestehende Instrumentarien zur Wirtschaftlichkeitsberechnung in vereinheitlichter und praxistauglicher Form in die Hand zu geben. Darüber hinaus gilt es, die zur Verfügung stehenden Prognoseinstrumente zur Langzeitleistung zu verfeinern und sie für die allgemeine Altlastensanierungs-Praxis in Deutschland anwendbar zu gestalten.
Als reaktive Materialien gelangen verschiedene technische Qualitäten von elementarem Eisen, d. h. in Span-, Granulat- oder „Schwamm“-Form oder Aktivkohle zum Einsatz. Weitere Materialien befinden sich noch im Prototypstadium, wobei man einige vielversprechende bereits in der on-site -Erprobung hat. Elementares Eisen dient, wie in Nordamerika, zur reduktiven Dehalogenierung von LCKW (zumeist chlorierte Ethene) (Standorte Rheine, Edenkoben, Tübingen, Bernau). Mit Aktivkohle entfernt man dagegen polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) (Karlsruhe, Brunn), aber auch LCKW (Denkendorf, Reichenbach, Brunn), durch Sorption.
Die an den deutschen sowie an nordamerikanischen Standorten gesammelten Erfahrungen führen seit ca. 2000-2002 zu einer Umorientierung sowohl wegen des häufiger werdenden Einsatzes von Aktivkohle anstatt Eisen als auch der wachsenden Bedeutung von CRB- und auch stark gelenkten gegenüber F&G-Systemen:
Künftig gelten insbesondere Kombinationen aus einem weitgehend unselektiv stark auf eine Reihe von Schadstoffen wirkenden Adsorptionsmittel, wie vor allem Aktivkohle, und Reinigungswandkonstruktionen, die ausgedehnte Eingriffsmöglichkeiten bei potenziellen Störungen während des Betriebs erlauben, als vielversprechende Varianten, weil sie bislang an mehreren Standorten in der Welt effizient und verlässlich arbeiten. Aktivkohle lässt sich auch bei komplexen Schadstoffgemischen anwenden, während hingegen der Einsatz von elementarem Eisen auf eine kleinere Zahl von LCKW und Schwermetallen beschränkt ist.
Auf der anderen Seite gewinnen vor allem in Nordamerika vollflächig durchströmte Systeme (CRB), die praktisch keinen Einfluss auf den Grundwasserfluss ausüben (aber auch praktisch keine Eingriffsmöglichkeiten bei potenziellen Störungen erlauben), zunehmend Bedeutung. In Deutschland wird man dieser Variante weitaus mehr Beachtung als in der technischen Initiationsphase der Technik hierzulande um 1998-2000 zu zollen haben.
Klassische F&G-Bauwerke hingegen verlieren an Bedeutung, da sie, wie sich in der Praxis gezeigt hat, die Hydraulik in vielen Fällen praktisch unvorhersehbar, selbst bei umfassender Modellierung, beeinflussen können. Bei F&G-Installationen sind die Überprüfungsmöglichkeiten, um Fehlfunktionen wenigstens einzugrenzen, erst recht um Fehlerursachen genau zu bestimmen, stark limitiert, denn der direkte Zugang zum und Eingriffsmöglichkeiten in das System sind aufgrund des Konstruktionsprinzips erheblich erschwert und eingeschränkt.
Bei der Behandlung der heutzutage am häufigsten angewandten Fe(0)-Technik wurde schon erwähnt (siehe oben), dass deren Status von nordamerikanischen Experten, insbesondere der amerikanischen Umweltbehörde EPA, häufig als der einer weitgehend etablierten Sanierungstechnik bezeichnet wird. Dennoch gelten durchströmte Reinigungswände – nicht nur aufgrund der zuvor gemachten Ausführungen hinsichtlich deutlich unterschiedlicher Sanierungszielwerte sondern auch wegen der an nordamerikanischen wie auch deutschen Standorten in den letzten Jahren gesammelten zahlreichen Erfahrungen und der aufgetretenen offenen Fragen – in Deutschland als auf dem Weg zur Etablierung befindliche Sanierungstechniken.
Deshalb ist nur für die Minderheit der deutschen Installationen (z. B. Aktivkohle-Wand in Reichenbach/Fils) bekannt, dass sie im Rahmen einer jeweiligen Sanierungsuntersuchung im direkten Vergleich/in der Konkurrenz mit anderen Verfahren einer tatsächlichen Bewertung unterlagen und damit aus dieser als echte Vorzugsvariante hervorgingen. Wie zu betonen ist, handelt es sich bei den heute in Deutschland installierten Reinigungswänden entweder um Pionier-Vorhaben mit starkem FuE-Charakter (Bitterfeld, Bernau) und/oder überwiegend von der öffentlichen Hand geförderte Maßnahmen zur Errichtung von Prototypen (Bitterfeld, Bernau, Rheine, Karlsruhe) oder um von Sanierungspflichtigen – im Einklang mit den örtlichen und/oder übergeordneten Fachbehörden – von vorneherein grundsätzlich stark favorisierte Techniken (Tübingen, Edenkoben). Allen ist gemein, dass sie in hohem Maße durch den sich ergebenden Demonstrationseffekt an einigen ausgesuchten, landesweiten Beispielstandorten der Technik insgesamt zunächst Bahn zu brechen hatten.
Deutsche Forschungsverbünde zur Unterstützung der Entwicklung von Reinigungswänden
Infolge der in Nordamerika bereits seit ca. 1994 mit erheblichem Nachdruck vorangetriebenen Entwicklung beschloss eine Expertenrunde im Umweltbundesamt (UBA) 1997, dass sowohl Forschungs- und Entwicklungsarbeiten (FuE) für Reinigungswände als auch ihre technischen Umsetzungen in Deutschland zu beschleunigen und auszuweiten seien.
Wichtige Themenschwerpunkte, die im Zusammenhang mit der Erforschung und Entwicklung der Reinigungswandtechnologie auftraten bzw. diskutiert wurden, lauteten:
Gewinnung ausreichender Informationen zur Langzeitleistung, -stabilität und -modellierung, auch bei der bislang am zahlreichsten vorangetriebenen Anwendung von elementarem Eisen für die Dehalogenierung von LCKW.
Identifikation sämtlicher Reaktionswege und Ermittlung vollständiger Massenbilanzen hinsichtlich der Schadstoffumwandlung. Diskussion und Bewertung der beträchtlichen Toxizität intermediärer oder finaler Abbauprodukte bei der Dehalogenierung der Ausgangsschadstoffe Perchlorethen (PCE) oder Trichlorethen (TCE) mit elementarem Eisen, d. h. etwa cis-Dichlorethen (DCE), Vinylchlorid (VC) bzw. Ethen, hinsichtlich der Abreinigungsleistung und Erreichung von Sanierungszielwerten.
Zuverlässige Kalkulation der Wirtschaftlichkeit eines reaktiven Wandprojektes; weitgehende Vermeidung von Überdimensionierungen (z. B. wegen der ungenauen Prognostizierbarkeit der Langzeitleistung)
(Weiter-)Entwicklung von anderen Dehalogenierungsmitteln als Eisen für chlorierte Kohlenwasserstoffe (CKW), die sich mit elementarem Eisen nur schwer oder gar nicht dehalogenieren lassen, z. B. VC, Dichlormethan oder 1,2-Dichlorethan (DCA).
Entwicklung und Erprobung von reaktiven Materialien für kombinierte Schadensszenarien, insbesondere wenn man es mit komplexen Schadstoffzusammensetzungen zu tun hat.
„SAFIRA“, ein FuE-Netzwerk zur Entwicklung und Erprobung neuer, innovativer reaktiver Materialien, insbesondere zur Behandlung von Mischkontaminationen in einem halbtechnischen Maßstab, war die erste Fördermaßnahme des BMBF, die diesem Ziel diente. Die SAFIRA-Pilotanlage behandelt seit 1999 ein durch ein komplexes Schadensbild charakterisiertes Grundwasser (im Wesentlichen Chloraromaten und LCKW) am Standort Bitterfeld (Sachsen-Anhalt). Sie besteht aus fünf, ca. 25 m tiefen zylindrischen Schächten, in die Stahlreaktoren eingehängt sind und die mit unterschiedlichen reaktiven Materialien beschickt werden können.
Um auch die Entwicklung und sukzessive Gewinnung einer breiten Datenbasis bei möglichst großtechnischen Projekten voranzutreiben, rief das BMBF im Jahre 2000 zusätzlich das Netzwerk „RUBIN“ mit insgesamt neun Standort- und übergreifenden Vorhaben (inklusive mehrere Unterauftragnehmer) und umfangreichen Aufgabenstellungen ins Leben. Wesentliche Ergebnisse und Erkenntnisse aus der Planung und Durchführung der Standort-Einzelvorhaben flossen in diese Webseite ein.
Daneben besteht ein reges Engagement verschiedener deutscher Forschungsinstitute auch in europäischen FuE-Verbünden zur Reinigungswandthematik, wie etwa im PEREBAR-Netzwerk („Long-term Performance of Permeable Reactive Barriers Used for the Remediation of Contaminated Groundwater“).
Nicht alle der oben genannten, seinerzeit weitgehend offenen Fragestellungen konnten bislang erschöpfend geklärt werden. So ist festzustellen, dass die Wände Tübingen, Edenkoben, d. h. Eisen/LCKW-Fälle, sowie Karlsruhe und Reichenbach (beide Aktivkohle/PAK, BTEX) nach der recht kurzen Installationszeit von 2-6 Jahren noch betrieblich zu optimieren sind, um den gewünschten vollständigen und kohärenten Abbau bzw. die angestrebte Schadstoffretardation dauerhaft sicher zu bewirken. Dagegen zeitigen u. a. die Reinigungswände in Rheine und Bernau gute bis hervorragende Abbauergebnisse. In Rheine erwies sich über einen Zeitraum von über fünf Jahren der in einem Segment der Wand eingesetzte Eisenschwamm als deutlich effizienter (Abreinigung des originären Schadstoffes PCE zu ca. 99 %) gegenüber Eisenspänen, die eine Abreinigung zwischen 70-90 % erreichten. Der Bernauer Forschungsreaktor reinigte TCE in hohen Konzentrationen über eine Fließstrecke von etwa 14 m im Eisen effizient ab; jedoch konnte der Metabolit cis-DCE nicht befriedigend abgebaut werden. Außerdem fand man Verblockungen durch Wasserstoffgasentwicklung und Eisensulfidausfällungen.
Fazit und Ausblick
Reinigungswände besitzen das Potenzial, sich als neue, kostengünstige Sanierungsverfahren auch in Deutschland zu etablieren. Sind alle wichtigen Einflussfaktoren an einem grundsätzlich geeigneten Standort bereits in der Planung korrekt berücksichtigt, die zur Verfügung stehenden Prognoseinstrumentarien richtig und vollständig verwandt und erfolgt eine fehlerfreie Installation, so funktioniert eine Reinigungswand prinzipiell. Geduld und Optimismus sind mithin geboten, wenn es um eine abschließende Bewertung der Langzeitleistung und stabilität sowie der Wirtschaftlichkeit geht. Ferner ist in Deutschland eine gesteigerte Aktivität zur Errichtung neuer Bauwerke wünschenswert, um in der Zukunft an möglichst vielen geeigneten Standorten von den Vorteilen der Reinigungswandtechnik zu profitieren.
Letztlich gilt auch immer, dass die Effizienz von durchströmten Reinigungswänden, die direkt von der tatsächlichen Langzeit leistung und -erfahrung abhängt, nur über einen längeren Zeitraum, dazu an möglichst vielen, unterschiedlichen Standorten, zuverlässig empirisch ermittelt bzw. gesammelt werden kann. Diese Vorgehensweise wird in Nordamerika bereits seit längerem erfolgreich praktiziert und war generell auch bei der Einführung mittlerweile etablierter Sanierungstechnologien in Deutschland, die über längere Zeit operieren (wie z. B. bei hydraulischen und pneumatischen Verfahren, Pump-and-Treat etc.), üblich. Alleine die Bündelung von schätzungsweise mehr als 14 Millionen € an öffentlichen nationalen Fördermitteln auf diese neuen Techniken zwischen ca. 1998 und 2005 (Bundesmittel für das SAFIRA- und RUBIN-Vorhaben, Förderung des Karlsruher F&G durch das Land Baden-Württemberg usw.) unterstreicht daher die Bedeutung, die man der Erforschung, Entwicklung, Ankurbelung und Implementierung in einem breiten Maßstab hierzulande zumisst. Im Übrigen bestand für die Fördermittelgeber wie auch die -empfänger nie ein Zweifel darüber, dass diese Maßnahmen über einen deutlich längeren Zeitraum als bei anderen Sanierungstechniken, die vormals angewendet wurden, erforderlich sind.
Aufgrund der mittlerweile seit mehreren Jahren im Betrieb befindlichen deutschen Prototyp-Reaktoren und neuer Bauwerke, die in der Planung oder kurz vor der Ausführung stehen, sowie infolge intensivster Auswertungskampagnen an mehreren Pionierstandorten über mehr als fünf Jahre hinweg, dazu durch eine Vielzahl herausragender Experten, ist bzw. wird eine vorzügliche Daten- und Erkenntnislage generiert. Unter Hinzunahme der zusätzlich vorhandenen, umfangreichen Erkenntnisse aus den zahlreichen nordamerikanischen Vorhaben hat man heute bereits in den Fällen, wo sich elementares Eisen und/oder Aktivkohle zur Schadstoffeliminierung einsetzen lassen, das notwendige und hinreichende Wissen zur Hand, die Technik insgesamt sehr gut zu verstehen und vor allem ihre Vor- und Nachteile sowie Einsatzmöglichkeiten und -grenzen zuverlässig zu bewerten. Damit ist der Boden für eine Implementierung auf möglichst breiter Basis auch in Deutschland in der Zukunft bereitet. |